Viele Bereiche an der Universität, insbesondere in der universitären Lehre, reduzieren sich lediglich auf die Vermittlung von Fakten und Fachwissen. Wissen haben wir in inzwischen unüberschaubarer Menge angehäuft. Das Internet vermittelt die Illusion, dieses Wissen jederzeit abrufen zu können. In gewisser Weise stimmt das auch: Aber abgerufen werden isolierte Bausteine, die oftmals keinen inneren Zusammenhang haben. Sie dienen allenfalls dem Stopfen von Löchern bei einer ganz konkreten Problemlösung – aber ohne ein Verständnis für die vernetzten Zusammenhänge zu bieten.
Wir sind nach wie vor zu wenige, die mit dem abrufbaren Wissen, das uns das Internet theoretisch jederzeit und an jedem Ort zugänglich macht, kreativ und vor allem sozial umgehen können und wollen. Wissen ohne Aktion bleibt leer und substanzlos – und aktives Wissen ist gebunden an eine soziale Ebene der gelebten und vermittelnden Beziehungen, in denen es gestaltet und wirklich begreifbar wird.
Wie gehen Studierende an der Universität mit dem „vermittelten“ Wissen um? Was fangen sie damit an? – Sie setzen es ein, um credit points zu sammeln, mit denen sie möglichst ökonomisch ihre akademischen Qualifikationen erreichen. Gelebt wird das Wissen selten. Und für uns als Lehrer ist es zu wenig, wenn wir uns nur auf das Fachwissen konzentrieren und unseren Stoff in Vorlesungen lediglich durch den Beamer jagen. Diese Form der Vermittlung ist beziehungslos – und auch unökonomisch! Denn substanzloses Wissen dieser Art kann sich heute jeder Studierende aus Fachbüchern und aus den schon zitierten Internetquellen zusammensammeln und anlesen, und zwar ohne die soziale Isolation im Studierstübchen zu verlassen und das Wissen im sozialen Handlungskontext auf die Probe zu stellen, Lehrmeinungen zu hinterfragen, zu diskutieren – kurz: ohne soziale Interaktion zu pflegen. Mit Verstehen hat das nichts zu tun.
Der Lehrende, der sich dieser Form der technokratischen Vermittlung unterordnet, setzt sein „Wissen“ (seinen „Lesevorsprung“) auf dem Katheder ein, um seine Eitelkeit und Besserwisserei zu bedienen. Die Studierenden durchlaufen eine Kathedersozialisation, bei der sie isolierte Fakten aufsaugen und nach ihrer „Saugfähigkeit“ am Ende beurteilt werden. Erproben müssen sie ihr Wissen in der sozialen Praxis, in der Beziehung des kritischen Austausches mit dem Lehrenden nicht. Die akademischen Weihen werden erworben in einer Art universitärem „Wer wird Millionär?“ – wer am Ende besonders gut abschneidet, der hat Glück mit den Fragen gehabt, systematisches Wissen hat er oder sie nicht unter Beweis gestellt. Und der akademische Lehrer sieht sich entwertet als eine Art „Vorlesungs-Jauch“, der eigentlich auch verzichtbar wäre. Die wissenschaftliche Arbeit reduziert sich auf die Produktion von Doktorarbeiten, die im Zweifelsfall auch per Internet zusammengestellt werden können und der Karriere des Jägers und Sammlers nach verborgenen Quellen dienen – zumindest so lange, wie ein ja auch immer möglicher geistiger Diebstahl nicht auffällt. Eines bleibt aber in jedem Fall festzuhalten: Ein intellektuelles, ein kreatives und innovatives Milieu entsteht so nicht. Wissen wird nicht generiert, es wird zunehmend recycelt – und der Welt zum Konsum angeboten.