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Lehrer Warum?

Warum wird ein Mensch Lehrer? – Ich für meinen Teil beantworte das so: Ich wollte und ich will mein Wissen und mein Teilwissen, meine Erfahrungen und Fertigkeiten weitergeben. Durch unser Eingespannt-Sein in Hektik und Verpflichtungen haben wir kaum Zeit und Kraft für Kritik, geschweige denn für Handlungen. Wir überlassen die Welt den Materialisten, Geldfixierten und ihren Volksvertretern. Diese Welt war und ist nicht meine. Als Makler, Bänker oder Wirtschaftler war ich wohl auch sonst zu unbegabt.

Ich wollte mich mit der Kultur der drei Zeiten beschäftigen, wollte mit Menschen arbeiten (und nicht gegen sie), ich wollte Menschen gestalterisch bilden. Ein wenig didaktisch, pädagogisch, erzieherisch, philosophisch – in jedem Falle respektvoll, dabei verpackt in eine nicht zu große Ernsthaftigkeit und wohlwissend, dass ich nicht den Nabel der Welt modellieren kann. 

Hier waren die Menschen, Studierende – mal mehr oder weniger jung, wissenshungrig, neugierig, kreativ, chaotisch, eitel, unterhaltsam, intelligent. Sie waren alles dies, und in dieser Vielfalt die Sinngeber meiner Lehre. Sie sind die verspielten Suchenden, die analytischen Finder und die eitlen Präsentierer – immer getrieben von der Hoffnung auf Wahrnehmung und Anerkennung. Es ist unsere Pflicht, die subjektiven Eigenschaften der Studierenden zu stärken, zu lenken und zu bestätigen. 

Ich wollte mich für die wunderbare Zeit meines Studiums in Form meiner eigenen Lehre bei diesen meinen Studierenden bedanken. Deshalb war ich bemüht, ihnen ähnlichen Spaß und die Freude zu vermitteln, die ich selbst in meinem Studium erfahren durfte. 

Eines ist klar: Als Lehrende an der Universität sind wir zwar bemüht (oder auch nicht), in korrekter Art und Weise den Studierenden Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln. Aus Angst vor Beliebigkeit und wohlwissend, dass ich diesem Anspruch durch ein paar Stunden Lehre nicht gerecht werden kann, habe ich versucht, meine Seminare lebendig, persönlich und in keinem Fall verschult zu praktizieren – und somit nicht ganz universitätskonform. Nach Bologna- Reform und anderen „Reformversuchen“ musste die Nonkonformität noch augenfälliger werden …

Ich sah mich immer mehr als Motivator, Trainer und Animateur – und weniger als reduzierter Wissensvermittler, als der ich ja letztlich auch austauschbar und multimedial ersetzbar wäre (wie jeder andere Hochschullehrer auch). Meine Erfahrungen habe ich nicht an die Tafel geschrieben, als PowerPoint-Präsentation an die Wand geworfen oder auf Handouts kopiert. Verpackt als Tipps und Anregungen wurden meine Erfahrungen thematisiert, sie waren Gegenstand in persönlichen Gesprächen, in Gruppengesprächen, in Seminardiskussionen. Die Weitergabe, die Vermittlung von Wissenstechniken und Fertigkeiten sah ich als selbstverständliche Begleiterscheinung meines lehrenden Tuns an.

Der Elfenbeinturm

Es gibt Haupt- und Nebenwege, manchmal auch Fluchtwege, die beschritten werden können und müssen, um ein solches Bildungsideal zu realisieren. Die Straßenkarte, die meiner Lehre zugrunde liegt, enthält denn auch Wegbeschreibungen zu verschiedenen Orten, die für die Erschließung des Wissensraums echte „landmarks“ sind: Seminare werden nach Möglichkeit immer in Kooperation mit Partnern in Politik, Wirtschaft und Kultur konzipiert. Nur auf diese Weise ist es möglich, den universitären Elfenbeinturm zu verlassen und Wissen in die Lebenswelt zu integrieren, lebendig zu machen und an das Handeln und Tun des Menschen in Beziehungen einzubetten.

Ich glaube daran, dass es gelingt, den Studierenden durch experimentelle, spielerische und motivierende Kreativität die Problemstellungen und Gesetzmäßigkeiten der Gestaltung näher zu bringen – das schließt nicht aus, sondern ermöglicht gerade bewusste und analytische Vorgehensweisen. Der dazu zu betreibende Aufwand ist beträchtlich – materiell wie intellektuell.

Die Studierenden setzen sich bei der Lösung der ihnen gestellten Aufgaben konkret und praktisch mit den Realisierungsansprüchen und –erwartungen der Auftraggeber auseinander. In Gesprächen und Diskussionen mit den Kooperationspartnern  werden sie mit der realen Welt der Architektur konfrontiert – mit den architektonischen Herausforderungen genauso wie mit den wirtschaftlichen Notwendigkeiten und den beziehungselementaren Erwartungen ihrer Auftraggeber.

Seminare und Drittmittelprojekte mit Partnern aus Wirtschaft, Politik und Kultur

Ich bin davon überzeugt, durch experimentelle, spielerische und motivierte Kreativität den Studierenden – anhand einer bewussten und analytischen Vorgehensweise – die Problemstellungen, die Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten der Gestaltung näher bringen zu können. Um meine Seminare finanziell zu unterstützen, setze ich auf eine Symbiose und das enge Zusammenspiel von Universität, Wirtschaft, Kultur und Politik. Dazu gab und gibt es eine ganze Reihe von erfolgreichen Projekten mit außeruniversitären Partnern:

  • Max Raabe
  • VW – Zwickau
  • VW – Osnabrück
  • Hamburger Bahnhof, Berlin
  • „Die Wohnkompanie“, Berlin
  • Deta-Med Hauskrankenpflege, Berlin
  • Staatliche Museen zu Berlin
  • Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin
  • Landesdenkmalamt, Berlin
  • Deutscher Bundestag
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales
  • Lufthansa
  • Tippi
  • Wintergarten
  • Lehmanns Fachbuchhandlung
  • Bundeskunsthalle
  • WindNODE
  • Topoi

Die Studierenden setzen sich bei den Aufgaben, denen sie im Rahmen dieser Projekte begegnen, konkret mit den Realisierungsansprüchen der Auftraggeber auseinander: Sie lernen, ihre Kreativität im Rahmen der Kundenwünsche ein- und umzusetzen. In Gesprächen und Diskussionen mit den Kooperationspartnern werden sie also mit der außeruniversitären und somit der „wirklichen Welt“ konfrontiert – ihre Kreativität wird außerhalb des berühmten akademischen Elfenbeinturms gefordert. Das ist kreative Herausforderung und Lernfeld für die späteren Erwartungen im Berufsalltag zugleich. Alle Einnahmen, die im direkten Zusammenhang mit den Seminararbeiten erwirtschaftet und aus den Vorschlägen und Studien der Studierenden heraus generiert werden, kommen wieder unmittelbar dem Fach Modell+Design zugute – sie fließen direkt an die Studentinnen und Studenten bzw. in die Ausstattung für deren Ausbildung zurück.

Suchen – Finden – Präsentieren

  • „Wir suchen anhand des experimentellen Modellbaus Gestaltungsmöglichkeiten“
  • „Wir finden Wege, Lösungen, Erkenntnisse und Formeln. Sie werden methodisch festgehalten und ausgewertet.“
  • „Durch das Präsentieren gibt sich das von uns Gesuchte und Gefundene seinem Umfeld preis.“

Auf keinen dieser drei Begriffe kann und will ich verzichten. Ich jongliere mit ihnen und nutze im Spiel mit ihnen die Kräfte, die sie freisetzen können.  Suchen – Finden – Präsentieren – diese drei Begriffe bestimmen und gestalten mein Dasein. Sie dienen der Gestaltung meines Lebens – fehlt einer dieser Begriffe oder kommt er zu kurz, dann fehlt mir etwas. Ich verliere einen Teil meiner Autonomie: Wenn ich nicht selbst gestalte, werde ich gestaltet und werde zum Objekt anderer Interessen. Dabei wollte ich eine sinnvolle Funktion in der Gesellschaft finden und ausfüllen, ohne dabei meinen Anspruch an die Ästhetik zu verlieren. Es geht um meinen (selbst-gestalteten) Anteil am Schönen und Guten meines Lebens in der Gemeinschaft. Das ist ein hoher Anspruch, aber er ist Herausforderung und Programm zugleich. Bezogen auf mein Fach spiegelt sich die Haltung in diesen drei Begriffen wider.

Nicht WAS die Studierenden suchen – finden – präsentieren, sondern WIE sie suchen – finden – präsentieren sollen, bestimmt die Inhalte meiner Lehre