In meiner akademischen Lehre ging es mir nicht nur darum, meinen Studierenden die notwendigen Kompetenzen und Fertigkeiten zu vermitteln, die sie für ihren späteren Beruf benötigten. Das ist zwar wichtig und auf eine Weise unverzichtbar, das „kann aber nicht alles gewesen sein.“ Kompetenzen und Fertigkeiten sind notwendig, aber nicht hinreichend, wenn man gestalten will. Da muss mehr sein.
Ich habe mich deswegen immer darum bemüht, in meiner Lehre mehr zu vermitteln als die Techniken des Modellbaus. Für mich ist der Modellbau nur durch den praktischen Bau von Modellen erlernbar, also durch den unmittelbaren Umgang mit dem Material, in der direkten Auseinandersetzung mit den Baustoffen und den Dimensionen, die das Räumliche bestimmen. Der Modellbau ist dabei auf seine ganz eigene Art eine Erkundung und Gestaltung der Welt. Einer Welt, wie wir sie als neugierige Menschen im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“ wollen.
Kreativität erschöpft sich nicht in der virtuosen Handhabung eines noch so mächtigen Grafik-Programms. Zur Anschauung gehört die sensuelle Erfahrung genauso dazu wie die räumliche Erfassung – die „Handhabung“ im ursprünglichen Sinne des Wortes ist notwendig, und „Handhabung“ in diesem Sinne bedeutet: „die Gegenstände in die Hand nehmen und etwas Neues damit tun.“
Auf dem Bildschirm sieht man das, was man schon kennt. Ganz gleichgültig, wie fortgeschritten und ambitioniert die 3D-Anwendungen und Werkzeuge der digitalen Modellierung auch sein mögen: Ich bin überzeugt davon, dass sich die Welt und das, was uns als Menschen von der Welt zugänglich ist, nur mit dem räumlich-realen Modell entdecken, rekonstruieren und neu gestalten lässt.
Mir ist dabei sehr wichtig, die grundlegende Voraussetzung allen Gestaltens hervorzuheben: „Nichts ist per se langweilig!“ – Warum ist das „grundlegend?“ Die Antwort liegt auf der Hand (! – wo sonst, könnte man fragen): Neugier auf das das, was wir sehen und wahrnehmen, ist eine der Voraussetzungen für den Umgang mit der Welt, wie wir sie kennen. Und sie ist die Voraussetzung für eine Welt, wie sie sein kann, wenn wir sie neu gestalten. Die Objekte, die es in unserer Welt gibt, können dabei auch Toilettenbürsten oder eine Architektur sein. Hauptsache, sie sind interessant. Und ich würde behaupten: „Wenn etwas langweilig aussieht, dann sieht man nur nicht richtig hin!“
Vielfalt und gestalterische Kraft entwickeln sich aus der Balance zwischen Handwerk und Inspiration, Muße und Müssen, Disziplin und Leichtigkeit. Das, was zunächst wie ein Widerspruch aussieht, ist gar keiner, sondern bildet gerade die Spannung, die die Dinge interessant und vielfältig macht.
Dabei ist „Vielfalt“ kein daher gesagter Modename für etwas, was man gar nicht exakt beschreiben kann. Vielfalt ist das Gegenteil von Einfalt – und Einfältigkeit ist für mich gleichbedeutend mit Langeweile. Da schließt sich der Kreis. Was gibt es denn Langweiligeres als einen Einfältigen, der sich auch noch für kreativ hält?