Eine Reise in die Vergangenheit
Wie kommt also die Verbindung zur Schlagermusik? Die Erzählungen von Burkhard Lüdtke sind eine Zeitreise in die Wendezeit und geben einen Einblick in das kulturelle Leben des damaligen West-Berlin. Über eine evangelische Jugendgruppe nahm Lüdtke erste Kontakte zur Musikwelt auf, er lernte Gesang und nutzte eine Langspielplatte des Schlagersängers Heino, um Gitarre zu lernen. Seine Kenntnisse auf der Gitarre waren die Basis für die Komposition von eigenen Liedern, die er später in Kneipen präsentierte. Ein Treffpunkt für viele Kulturschaffende in Berlin: die Jazz- und Liedermacher-Kneipe „Go-In“ in der Bleibtreustraße. Dort lernte Lüdtke Karl Dall, Ingo Insterburg und Jürgen von der Lippe kennen, für die er Auftragsarbeiten annahm. Seinen größten Erfolg „Herzilein“ hat er der Musikfirma Hansa zu verdanken. Hansa nahm Kontakt zu G.G. Anderson auf, der „Herzilein“ an seine beiden Bandkollegen weitergab, die später zu den „Wildecker Herzbuben“ wurden. Auch Peter Alexander oder Gottlieb Wendehals hatten an dem Songtext Interesse, wollten aber nach Lüdtkes Geschmack zu viele Änderungen am Original vornehmen.
30-jähriges Jubiläum von „Herzilein“
2020 feiert „Herzilein“ sein 30-jähriges Jubiläum, und der Erfolg dieses Schlagersongs lässt sich an vielen Dingen messen. So kennen Fußballfans des Hertha BSC vielleicht die Adaption „Herthalein, du musst nicht traurig sein.“ Seinen persönlichen Erfolg beschreibt Burkhard Lüdtke so: „Es ist unglaublich bewegend für mich, wenn in der Waldbühne 25.000 Menschen plötzlich ‚Herzilein‘ singen.“
Es überrascht nicht, dass „Herzilein“ auch ein kommerzieller Erfolg war. So wurden zeitweise an einem Tag 40.000 LPs verkauft. Eine von vielen Anekdoten Lüdtkes: Seiner Frau Carola, mit der er den Songtext in einem Griechenland-Urlaub bei einem Glas griechischen Wein textete und komponierte, mussten die Wildecker Herzbuben versprechen, nicht mehr abzunehmen, um den Erfolg nicht zu schmälern. Er sagt dazu: „Für uns hat es sich damals angefühlt, als würden Hippies ‚Herzilein‘ schreiben.“
Schlager im Architektur-Atelier
Dass Schlager-Lieder wie „Herzilein“ nicht jedermanns Sache sind, weiß Lüdtke und schmunzelt: „Älteren Menschen schießen bei Heimat-Liedern Tränen der Rührung in die Augen, jüngeren Menschen eher Tränen vor Lachen.“ Belegen kann Lüdtke dies mit einem Selbsttest: Immer wenn Studierende nach Modellbau-Seminaren noch mehrere Stunden nach Ende des Seminars bleiben wollten, spielte er den Rausschmeißer „Herzilein“ – und die Ateliers leerten sich rasch. Seine Studierenden feixen schon mal über „Herzilein,“ viele wissen davon, es ist ein „offenes Geheimnis.“
Wissenschaftlicher Werdegang
Seit 1986 ist Lüdtke Dozent für Modellbau am Institut für Architektur der TU Berlin. Er bringt ein Design-Diplom, einen Lehramts-Staatsexamen im Fach Kunsterziehung mit und ist Meisterschüler der Freien Kunst. Das größte Verdienst seiner akademischen Laufbahn ist die Entwicklung des Fachs Modell & Design. Er verfolgte dabei stets das Ziel, Modelle nicht nur zu bauen, sondern auch zu gestalten. Mit seiner später gegründeten Firma „1 ART“ konnte er die Zusammenarbeit mit Industrie, Wirtschaft und Politik verstärken und damit viele Drittmittelprojekte ins Leben rufen, die die Finanzierung von 7 Mitarbeiter*innen und die Ausbildung von 70 Studierenden nach wie vor unterstützt.
100 Flops und ein Hit
Die finanzielle Absicherung gewährt ein gutes Betreuungsverhältnis von Lehrenden und Studierenden. Jedes Semester erlernen etwa 150 Studierende im Fach „Modell+Design“ bei Burkhard Lüdtke die handwerklichen und gestalterischen Grundlagen des Modellbaus sowie den experimentellen Umgang mit Werkstoffen. Sie arbeiten an vielen seiner Projekte mit, die teils großes öffentliches Aufsehen erregen. Spezialität seines Schaffens war das barrierefreie Gestalten von Gebäuden, die sich in dem Studienschwerpunkt „Design for all“ widerspiegelt. Nationale und internationale Preise bekamen unter anderem die Modelle „Reichstag für Blinde“ aus dem Jahr 2007, die „Sprechende Stadt“ aus dem Jahr 2013 oder die Ausstellung „Close your eyes and see“ auf der Expo 2010 in Shanghai. Wie er sein eigenes Potenzial entwickelt hat, so möchte er unter seinen Studierenden Persönlichkeiten entdecken, um deren kreatives Potenzial zu entfalten. „Kreativität bedeutet auch Sturheit,“ so Lüdtke. So inspiriert und animiert er seine Studierenden stets mit seiner eigenen Geschichte und erzählt ihnen: „Manchmal benötigt es 100 Flops, bevor ein Hit daraus wird.“